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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 16 K 284/04
Rechtsgebiete: UStG, GrEStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 4 Nr. 9a
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

16 K 284/04

Umsatzsteuer 1999

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob das Entgelt für den Verzicht auf ein Ankaufsrecht der Umsatzsteuer unterliegt.

Zwischen der Klägerin als Organträgerin und der vormaligen C A, seit 01.09.1999 B GmbH, als Organgesellschaft bestand im Streitjahr eine umsatzsteuerliche Organschaft. Eine weitere Organgesellschaft der Klägerin ist die BT GmbH.

Die C AG veräußerte mit notariellem Kaufvertrag vom 22. Dezember 1981 das Grundstück H., K-Ring 1 an die D-KG, eine 95%-ige Tochter der C AG, zum Kaufpreis von 17 Mio. DM.

Mit notariellem Vertrag vom 7. April 1982 räumte die D-KG der C AG ein Ankaufsrecht für das Grundstück K-Ring 1 ein. Danach kann die C AG das Ankaufsrecht zum 31.12.2001 ausüben zu einem Kaufpreis von 9.500.000,- DM und zum 31.12.2011 zu einem Kaufpreis von 5.750.000,- DM. Zur Sicherung des Anspruchs wurde eine Vormerkung ins Grundbuch eingetragen. Die entsprechenden Bestimmungen sollen nach § 5 der Urkunde für die jeweiligen Rechtsnachfolger gelten.

Die D-KG veräußerte das Grundstück zeitnah weiter an die R KG.

Mit Vertrag vom 26. März 1999 veräußerte die R-KG das Grundstück an die B-KG, heute D-Verwaltungs GmbH & Co 12. KG zum Preis von 12.466.697,14 DM. Als Teil C des Vertrages schlossen die R-KG, die B-KG und die C AG eine weitere Vereinbarung. Danach verzichtete die C AG auf das ihr im Vertrag vom 7. April 1982 eingeräumte Ankaufsrecht gegen ein Entgelt von 4.213.312,86 DM. Unter II.3. heißt es: "Sollte entgegen der gemeinsamen Annahme von Käufer und Ankaufsberechtigtem auf die vorgenannte Verzichtsvergütung Umsatzsteuer anfallen, ist die Verzichtsvergütung als Nettoleistung zu betrachten."

Für den Veranlagungszeitraum 1999 ging im Jahre 2001 beim Beklagten eine Umsatzsteuererklärung der B GmbH ein, die die Umsätze der C AG erfaßte, nicht aber das Entgelt für den Verzicht auf das Ankaufsrecht. Der Beklagte - der insoweit übersah, dass es sich bei der B GmbH nicht um den Organträger, sondern eine weitere Organgesellschaft der Klägerin handelte - stimmte der Erklärung am 22. Februar 2001 zu. Der entsprechende Umsatzsteuerbescheid 1999 wurde aus für dieses Verfahren nicht erheblichen Gründen am 22. März 2001 und am 5. April 2001 geändert; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

In der Zeit vom 2. Dezember 2002 bis 19. Mai 2003 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Der Betriebsprüfer stellte sich auf den Standpunkt, dass es sich bei dem entgeltlichen Verzicht auf das Ankaufsrecht um einen umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Vorgang handele. Ebenfalls stellte er nach Prüfung der rechtlichen Verhältnisse des Konzerns fest, dass die Klägerin der Organträger war und die Umsätze der C AG bei ihr zu erfassen seien.

Mit Datum vom 15. Dezember 2003 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Umsatzsteuerbescheid für 1999 entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung, den er allerdings als Änderungsbescheid im Verhältnis zum gegenüber der B GmbH ergangenen Umsatzsteuerbescheid 1999 bezeichnete.

Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Verzicht auf das Ankaufsrecht der Grunderwerbsteuer, nicht aber der Umsatzsteuer unterliege.

Der Verzicht auf die Ausübung des Ankaufsrechts gegen Entschädigungszahlung unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG der Grunderwerbsteuer und sei gem. § 4 Nr. 9 a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Der Verzicht habe die gleiche wirtschaftliche Wirkung wie die Abtretung eines Kaufangebotes. Ohne den Verzicht hätte das Grundstück für die B-KG nur beschränkten wirtschaftlichen Wert gehabt, weil sie es dann möglicherweise zu einem relativ geringem Kaufpreis hätte wieder veräußern müssen. Das Ankaufsrecht sei abtretbar gewesen. Hätte die B-KG das Ankaufsrecht erworben, hätte sie bis zum Jahre 2001 waren müssen, um das Grundstück zu erwerben. Im Ergebnis handele es sich bei der gewählten Gestaltung um die vorgezogene Ausübung des Rechts zu einem höheren Kaufpreis.

Darüber hinaus unterfalle der Verzicht auf das Ankaufsrecht dem § 1 Abs. 2 GrEStG. In der konkreten Fallgestaltung sei es der C AG ermöglicht worden, das Grundstück durch die Veräußerung des Ankaufsrechts auf eigene Rechnung zu verwerten. Hintergrund der gewählten Gestaltung sei ein sale-and-lease-back Geschäft gewesen. Das Grundstück sei damals von einer Konzerngesellschaft der Klägerin genutzt worden. Durch den abnehmenden Rückkaufspreis sei es der R-KG wirtschaftlich unmöglich gemacht worden, das Grundstück sinnvoll auf eigene Rechnung zu verwerten. Die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis habe deshalb weiterhin in der Hand der C AG bestanden. Hätte die B-KG das Grundstück bei Fortbestehen des Ankaufsrechts erworben, hätte die Verwertungsbefugnis weiterhin bei der C AG gelegen.

§ 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 1 Abs. 2 GrEStG schlössen sich entgegen der Rechtsansicht des Beklagten nicht gegenseitig aus. Gemeinsam sei beiden Tatbeständen, dass ein Dritter mittels bestimmter Rechtsvorgänge an dem Grundstücksgeschäft beteiligt werde. Hier wäre ohne Mitwirkung der C AG das Grundstücksgeschäft nicht zustande gekommen.

Die Verbindung beider Rechtsgeschäfte zeige sich, wenn man den angemessenen Kaufpreis für das Grundstück betrachte. Addiere man die Entschädigung und den tatsächlich gezahlten Kaufpreis, ergebe sich der angemessene Gesamtkaufpreis.

Es liege kein Fall des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG vor. Diese Norm erfasse zwar den Verzicht auf ein Vorkaufsrecht. Dieses zeichne sich dadurch aus, dass der Berechtigte in einen wirksam abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag eintreten könne. Hier hätte die C AG zum Zeitpunkt der Veräußerung noch keinen Anspruch auf die Übertragung des Eigentums. Die C AG hätte einen Verkauf des Grundstücks derzeit nicht verhindern, sondern nur wirtschaftlich erschweren können. In solchen Fallgestaltungen sei nach der Rechtsprechung des BFH § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht anwendbar.

Soweit der Beklagte auf die Rechtsprechung des BFH zur Grunderwerbsteuerpflicht von Bauleistungen in Bauherrenmodellen Bezug nehme, sei diese hier nicht einschlägig. Kennzeichnend für die entsprechenden Fälle sei eine künstliche Aufspaltung von Kaufverträgen in Verträge über das Grundstück und über die Bebauung, um die Grunderwerbsteuerpflicht der Bauleistungen zu vermeiden. Hier stellten Grundstücksverkauf und Verzicht auf das Ankaufsrecht jedoch zwei getrennte Vorgänge dar.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 1999 vom und der Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2004 die Umsatzsteuer 1999 um 369.219,20 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die Vergütung für den Verzicht auf das Ankaufsrecht für umsatzsteuerpflichtig. Zwar seien nach § 4 Nr. 9 a UStG Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, steuerfrei. Die Verzichtsvergütung unterliege aber nicht der Grunderwerbsteuer. Sie sei lediglich beim Verkauf des Grundstücks von der R-KG an die B-KG nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.

Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterlägen der Grunderwerbsteuer Rechtsvorgänge, die es einem anderem als dem Eigentümer wirtschaftlich oder rechtlich ermöglichten, ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Der Tatbestand setze eine Kombination aus Nutzungs- und Verfügungsbefugnis eines Nichteigentümers voraus, die noch nicht dem rechtlichen Eigentum gleiche, diesem aber wirtschaftlich nahe komme. Eine solche Rechtsstellung habe die C AG aber nicht inne gehabt. Das Ankaufsrecht begründe keine eigentümerähnliche Stellung, da die C AG vor Ausübung des Ankaufsrechts nicht in der Lage gewesen sei, das Grundstück zu veräußern. Der Mietvertrag der Konzerngesellschaft verschaffe dieser keine eigentümerähnliche Stellung.

Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG sei ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründe, grunderwerbsteuerpflichtig. Gleichgestellt sei ein Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrages, kraft dessen die Übereignung verlangt werden könne. Insofern hätte hier nur die Abtretung des Ankaufsrechts, nicht aber der Verzicht einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang auslösen können, weil aufgrund des Verzichts gerade nicht mehr die Übereignung habe verlangt werden könne.

Dass ein grunderwerbsteuerlicher Vorgang nicht vorliege, zeige auch die Überschrift des § 1 GrEStG, wonach "Erwerbsvorgänge" der Grunderwerbsteuer unterlägen. Ein Erwerbsvorgang sei ein Vorgang, der einen Erwerb erzeuge, später erzeugen werde oder erzeugen solle oder könne, nicht aber der Erwerb selbst. Der Verzicht auf den Erwerb erzeuge aber keinen Erwerb, sondern verhindere den Erwerb. Nicht die Einräumung eines Ankaufsrechts, sondern erst dessen Ausübung unterliege der Grunderwerbsteuer. Folglich könne auch nicht die Abtretung des Ankaufsrechts oder der Verzicht auf das Ankaufsrecht der Grunderwerbsteuer unterliegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Verzicht auf das der C AG durch Vertrag vom 7. April 1982 eingeräumte Ankaufsrecht für das Grundstück H., K-Ring1 gegen Entgelt stellt einen sonstige Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG dar. Diese Leistung ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht nach § 4 Nr. 9 a) UStG von der Umsatzsteuer befreit.

Gem. § 4 Nr. 9 a) UStG sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, steuerbefreit. Das Entgelt für den Verzicht auf das Ankaufsrecht unterfällt jedoch nicht der Grunderwerbsteuer.

Es handelt sich bei dem entgeltlichen Verzicht auf das Ankaufsrecht nicht um einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG. Danach unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet. Dem Kaufangebot steht ein Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrages gleich, kraft dessen die Übereignung verlangt werden kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung setzt der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG voraus, dass ein rechtswirksames Kaufangebot eingeräumt, die daraus sich ergebenden Rechte vom Berechtigten an den Dritten abgetreten werden und der Kauf zwischen diesem und dem Grundstückseigentümer tatsächlich zustande kommt (BFH Urteil vom 6. September 1989 II R 135/86, BStBl. II 1989, 984;Urteil vom 3. März 1993 II R 89/89, BStBl. II 1993, 453;Urteil vom 22. Januar 1997 II R 97/94, BStBl. II 1997, 411); erst und nur dann ist der Tatbestand erfüllt, wenn der Kauf zwischen dem Dritten und dem Grundstückseigentümer auch tatsächlich zustande kommt (Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, § 1 Rz. 224).

Daran fehlt es jedoch im Streitfall. Denn der Erwerb des Grundstücks H., K-Ring1 durch die B-KG hat sich nicht über die Ausübung des Ankaufsrechts vollzogen. Vielmehr ist das Ankaufsrecht durch den Verzicht untergegangen. Die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der B-KG hat lediglich eine wirtschaftliche Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Kaufvertrag zwischen der R-KG und der B-KG zustande gekommen ist. Ein derartiger nur wirtschaftlicher Zusammenhang reicht nicht hin, um den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG zu erfüllen, der rechtlich bindende Zwischengeschäfte auf dem Wege zum Grundstückserwerb erfassen soll. Der Sachverhalt ähnelt insofern durchaus dem unzweifelhaft nicht grunderwerbsteuerpflichtigen entgeltlichen Verzicht auf eine Grunddienstbarkeit oder ein anderes grundstücksgleiches Recht, das der sinnvollen wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks durch den Erwerber entgegensteht.

Ebenso wenig ist § 1 Abs. 2 GrEStG einschlägig. Nach dieser Rechtsnorm unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Erforderlich ist, dass dem Berechtigten eine Rechtsstellung übertragen wird, kraft deren er ein Grundstück rechtlich oder wirtschaftlich verwerten kann (BFH Urteil vom 19. März 1980 II R 26/75, BStBl. II 1980, 522).

Die B-KG hat hier jedoch von der Klägerin keine Rechtsposition übertragen erhalten, aufgrund deren sie den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks K-Ring1 verwerten konnte. Vielmehr ist die Rechtsposition, die die Klägerin zunächst innehatte - nämlich das Ankaufsrecht - nicht übertragen worden, sondern mit Abschluss des Vertrages vom 26. März 1999 untergegangen. Es ist hier nur ein Hindernis, dass einer sinnvollen wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks durch den Erwerber, die B-KG, entgegenstand, aus dem Weg geräumt worden. Das ist aber kein Sachverhalt, der unter die Norm des § 1 Abs. 2 GrEStG fällt.

Es kann dahin stehen, ob das Entgelt für den Verzicht auf das Ankaufsrecht nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG in die Bemessungsgrundlage der im Zusammenhang mit dem Verkauf des Grundstücks K-Ring1 von der R-KG an die B-KG festzusetzenden Grunderwerbsteuer einzubeziehen ist, wie der Beklagte meint und wie von der Klägerin bestritten wird. Die grunderwerbsteuerliche Behandlung des Grundstücksverkaufs ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Erfassung des Entgelts in der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Verkäufer (R-KG) und Käufer (B-KG) hätte auch keine Folgewirkung für die Klägerin, weil § 4 Nr. 9 a) UStG nur konkrete Umsätze, nicht aber das im Zusammenhang mit bestimmten Umsätzen vereinbarte Entgelt als solches von der Umsatzsteuer freistellt. Umsatzsteuerfrei ist infolgedessen nur der Grundstücksverkauf von der R-KG an die B-KG; der Umsatz zwischen der Klägerin und der B-KG, an dem - mit der Klägerin - ein anderes Rechtssubjekt beteiligt ist, ist davon nicht betroffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Das Gericht läßt gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zu.

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